Neue Hymnen braucht die Welt! Clementine von den No Ones ist ein Paradebeispiel von einem Ohrwurm der sich tief in den Hirnwindungen vergräbt und nur wieder schwer rauszubringen ist. Ich zumindest pfeife seit Freitag nur noch diesen einen Song vor mich hin. Apropos No Ones, nebst zwei Norwegern besteht die Band aus Scott McCaughey (Minus 5) und Peter Buck, einem weiteren ehemaligen R.E.M-Mitstreiter. Ich präsentierte am Sonntag ja schon den guten alten Michael Stipe mit einer Riesennummer hier im Kabinett. Man stelle sich also vor, was wohl noch kommen würde, wenn Buck und Stipe (und auch Mills) wieder zusammenarbeiten würden. But they call it quits. So darf man sich halt an den vielen Neben und Hauptprojekten erfreuen. Zurück zur Jangle-Supergroup The No Ones. Mit Clementine hat die Band ihr Hitpulver bei weitem noch nicht verschossen, im Gegenteil. Ein Hit reiht sich an den anderen und trotz Ausgangssperre, Isolation, Quarantäne und anderen unschönen Dingen siegt beim Hören die Euphorie. So wie früher bei R.E.M. Hörtipp!
Etwas Trost an diesem tristen Sonntagmorgen gefällig? Der Wilco Chef Jeff Tweedy hat mit Warm eine wundervolle Americana/Country Pop/nennt es wie ihr es wollt – Platte für alle Leute, die den eben erwähnten Trost im Leben suchen veröffentlicht. I know what it’s like starting over again singt er zur seufzenden Steel Guitar. Er weiss schliesslich wovon er erzählt, war Tweedys bisheriges Leben unter anderem auch von Krankheiten, Süchten und inneren Dämonen geprägt. Hörtipp.
Yankee Hotel Foxtrot von Wilco gehört bekanntlich zu meinen absoluten Allzeit-Favoriten und wurde in den letzten Tagen wieder vermehrt in der heimischen Stereoanlage geortet. Unglaublich wie das Ding einem auch nach Jahren immer noch so viel Freude bereitet. Mit der Zeile I am an American Aquarium Drinker hat Jeff Tweedy nebenbei wohl auch noch die beste Anfangszeile überhaupt auf einem Album parkiert. Eine Zeile, die auf jedem ordentlichen Unterarm tätowiert werden sollte.
So! Zurück und wieder einigermassen erholt vom wie immer bombastischen Primavera Sound Festival Ausgabe 2012 in Barcelona; viel zu wenig Schlaf und massivste Beanspruchung der Leber inklusive. Im Vergleich zu meinem letzten Besuch vor zwei Jahren wurde das Gelände nochmals vergrössert und um ein paar Bühnen erweitert, was aber der zuschauertechnischen, wie auch sonstigen, bisher friedlichen Atmosphäre nicht geschadet hat. Sehr positiv auch, dass das doofe Bon-System endlich abgeschafft wurde und man die Getränke und die Verpflegung cash begleichen konnte. Wobei der Katalane mit der Herausgabe des Rückgeldes dann doch ziemlich überfordert war, besonders im Dunkeln. Und so musste der Konsument halt noch länger in der Schlange als sonst schon ausharren und kaufte sich dann aus Frust auch gleich die doppelte Menge Bier. Die Folgen davon waren dann dementsprechend verheerend, finanziell wie gesundheitlich. Bei so viel guter Musik dann aber schlussendlich doch egal. Was bleibt sind viele Erinnerungen an eine gute Zeit, an die vielen tollen Bands und Acts sowie an die Pillenspanier, die mir im Viertelstundentakt MDMA und Kokain verkaufen wollten.
Folgend eine kurze Zusammenstellung der Bands und Acts des ersten von drei Tagen, welche ich mir angeschaut habe. Kriterium für eine Bewertung: Mindestens die Hälfte der Show musste gesehen werden. Die weiteren Tage folgen.
Donnerstag
Afghan Whigs 8.5/10 Greg Dulli in Bestform. Bis auf Debonair mit allen Hits inkl. dem übertollen Milez iz Dead, welches auch gleich Song des Tages wurde und mich zu einem Run den “Hügel” runter in die Massen bewegte. Helden meiner Jugend. Tipp Top.
Franz Ferdinand 5/10
Die Hits haben gezündet, der Rest weniger.
John Talabot 7/10
Live besser als vermutet. War aber 3.30 Uhr morgens schon etwas zu müde um mich noch anständig zur Musik bewegen zu können und vielleicht deswegen scheiterte auch eine höhere Bewertung.
Mazzy Star 1/10
Keine Band für grosse Open-Air Bühnen. Lowlight Tag 1.
Refused 8/10
Die Schweden haben ihr Handwerk auch nach gut 15 Jahren Bühnenabwesenheit noch ziemlich im Griff und sind für Enddreissiger (?) doch noch ziemlich rüstig und fit. Allen voran der Sänger Dennis Lyxzén, der bis zuletzt wild rumturnte. Und ja, die Welt ist natürlich noch böser geworden…..
Wilco 5/10
Mir ein wenig zu „lame“ an dem Abend. Aber sonst mag ich die ja sehr gerne.
Wolves In The Throne Room 3/10
Klingt auf CD doch einiges ordentlicher und facettenreicher. Im Gitarren/Schlagzeug/Gesang Live-Outfit jedoch sehr eintönig.
Pünktlich zum 100. Geburtstag der Songwriter-Legende Woody Guthrie stehen die kompletten Mermaid Avenue Sessions von Billy Bragg & Wilco in den Läden. Auf Initiative von Nora Guthrie durften Billy Bragg und Jeff Tweedy damals in den 90-er Jahren sich in den umfangreichen Archiven des verstorbenen Woody Guthrie umschauen und ein paar unvertonte Songs aussuchen. Resultat waren die fantastischen Mermaid Avenue 1 und 2. Eine gute Dekade später wurde nun das Package wiederveröffentlicht und durch unveröffentlichtes Material, sprich einem dritten Longplayer, sowie einer Making of DVD und einem fetten Booklet erweitert. Gute Sache wie ich finde.
Und gleich noch ein wenig mehr sommerliche Musik aus dem Land Down Under. Erschienen ist Good Dancers auf Lovers. Das Album, welches übrigens in der damals noch alljährlich erscheinenden und durch den jungen und frischen Call Me Appetite bis ins hinterste und letzte Detail sorgfältig durchdachten Jahrescharts zuoberst zu finden war, protzte ja nur so mit Melodien für Millionen. Songs, gebastelt aus klebrigen Beach Boys-geschulten Chören, Americana und dem Duft des westaustralischen Sommers. Das Resultat war eine durchwegs süchtigmachende Musikdroge.
Es gibt Dinge da weiss man schon im vornherein wie sie enden. In diesem Falle war es ein Fest. Das grösste Winzerfest der deutschsprachigen Schweiz um genau zu sein. Und um solch ein Anlass halbwegs erträglich zu machen, schüttet man sich die Birne mit viel Alkohol zu. Da stellt sich berechtigterweise die Frage, wieso man sich das dann überhaupt antut? Ganz einfach, der Ort des Geschehens ist auch das Dorf in dem ich aufgewachsen bin und meine Jugend verbracht habe. Und nachdem ich sicherlich schon 15 Jahre nicht mehr an diesem Fest war, wars gestern endlich mal wieder soweit. Es hat dann auch richtig Spass gemacht. Leute, die man ein halbes Leben lang nicht mehr gesehen hat (wobei es auch hier ein Grund für hat, aber das sind andere Geschichten) tauchten aus dem Nirgendwo auf. Mit den einem Sprach man, andere zogen lieber unbemerkt vorbei. Gemeinsam habwn wir jedoch alle dasselbe: das Altwerden. Für Musik war natürlich auch gesorgt und die örtlich ansässige Trash Metal Band heizte ordentlich ein. Sogar Stefanie Heinzmann, die Pro7 Casting Show Gewinnerin, schaute nach ihrer Headliner Show auf der Hauptbühne kurz im Zelt vorbei.
Aber was hat dies alles mit Wilco zu tun. Naja, nach Unmengen von Alkohohl fühlt sich der Kopf am Sonntagmorgen schon nicht ganz so frisch an, wie auch schon. Da kommt der Closer One Sunday Morning vom neuen Album der Band um Jeff Tweedy genau richtig um den Kater zumindest ein wenig zu vertreiben. Ein 12 minütiger, akusticher Song mit welchem man am liebsten durch Raum und Zeit fliegen möchte. So richtig schön und gut, was man eigentlich vom ganzen Album behaupten kann. Vermutlich das beste seit dem Überwerk Yankee Hotel Foxtrott. Hier wird das ganze Spektrum des wilcoischem Sounds der letzten 10 Jahre zelebriert, sprich ein wenig Kraut, ein wenig Rock, ein wenig mellow Gedüdel und immer mit der nötigen Portion Alt. Country. Ein schönes Comeback nach zwei, meiner Meinung nach, eher mittelmässigen Alben.