Den treuen Lesern dürfte durch den einen oder anderen früheren Beitrag schon bekannt sein, dass ich mir irgendwann ein grosses Flair für die Canzoni der italienischen 80-er Jahre, also aus einer Zeit lange vor dieser, angelacht habe. Meist werden beim Hören der Schnulzen auch immer wieder viele Erinnerungen an die zahlreichen Familien-Urlaube an der italienischen Riviera präsent. Okay, die stundenlangen Autofahrten, eingepfercht zwischen Koffern und Taschen auf dem Rücksitz des unklimatisierten Toyotas meiner Eltern müssen nicht mehr wirklich sein. Wobei!, die Stopps zwecks Betankung und Erholung bei Panini Crudo e Mozzarella und einem leckeren Aranciata bei einer der vielen Filialen von Autogrill würden dann wohl wegfallen. Und genau bei diesen Stopps wusste man dann doch auch immer, dass der Urlaub nun endlich so richtig begonnen hat. Während meine Mutter traditionell auf dem Beifahrersitz die ganze Fahrt verpennte, ging ich in den heissen und nach Abgasen stinkenden italienischen Nächten mit meinem Vater meist ein wenig die Füsse vertreten und während er den einen oder andere Espressi trank, spazierte ich neugierig durch die schmalen Passagen der Raststätten-Shops und musterte die mit Dingen überfüllten Regale, die ich so, wenn überhaupt, nur von Rai Uno her kannte. Die meiste Zeit verbrachte ich aber schon damals vor den Musikregalen. Immer mit der Hoffnung, eine Kassette mit cooler Musik zweckes Unterhaltung für die restlichen Stunden in Gefangenschaft, geschenkt zu bekommen. Und da in den Raststätten nebst den üblichen internationalen Superstars sehr oft mit Musik aus Italien gehandelt wurde, sprangen mir auch immer wieder Namen von Bands und Musikern vor die Linse, von denen ich zu Hause in der Schweiz noch nie was gehört hatte. Einer hiess doch tatsächlich Raf, also wie die deutschen Terroristen, die einen damals auf den zahlreichen Fandungsplakaten mürrisch angeschaut haben. Fand ich schon eher komisch und wusste auch nicht, ob man das nun wirklich cool finden sollte. Und da war natürlich auch immer die eine oder andere Kassette vom italienischen Enfant terrible Vasco Rossi zu finden. Sein Livealbum Va Bene, Va Bene Cosi – Wiki sagt: ein Megaseller vor dem Herrn – war über Jahre hinweg an vorderster Front ausgestellt, egal in welchen Laden man ging. Mir fiel das Cover mit dem langhaarigen Mann mit Sonnebrille. dem ollen Adriano C. nicht unähnlich, zum ersten Mal in eben einer dieser zahlreichen Raststätten irgendwo zwischen Mailand und Genua auf, konnte die Musik da aber noch nicht wirklich zuordnen und da ich mir meist nur eine Kassette so alle 3-4 Monate als Geschenk aussuche durfte, musste die Wahl schon sehr genau überlegt sein. Unnötige Risiken wurden tunlichst vermieden. Obwohl, Vasco Rossi war Mitte der 80-er alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, zumindest in Italien. Schon wenige Stunden später, an der Bar des Strandabschnittes wo Vater und Mutter sich für 2 Wochen Stühle und Kabine gemietet haben, beschallte der junge, gut aussehende Barkeeper die meist weibliche Kundschaft, die wiederum sich wohl auch gerne das bisschen mehr von ihm erhofft haben, mit eben dieser einen Liveplatte von Signor Rossi. Das sollte dann noch für ein paar Jahre so weitergehen. Andere Schauplätze, andere Menschen, aber immer die gleichen Hmynen. Selbst als ich Anfang der 90-er mit meinen norditalienischen Feriengspändli im örtlichen Pub meine ersten halblegalen Camparis getrunken habe, wählte jung wie alt immer und immer Songs aus Va Bene, Va Bene Cosi in der damals noch existierenden Jukobox. 2020 würde man wohl Siri zurufen, “ey spiel mal was von Vasco Rossi”. Egal. Das Album ist und bleibt ein Klassiker. Und wenn die Fans lautstark die Generationenhymne Vita Spericolata mitsingen, stehen meine Nackenhaare stramm!
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Vasco Rossi – Vita Spericolata (1984; Va Bene, Va Bene Cosi)
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Nathalie Weider – Tür (2018: Wegkreuzer)
Türen (Einzahl, die Tür) sind eigentlich eine gute Sache. Will man mal nicht gestört werden, schliesst man sie einfach. In den meisten Fällen funktioniert das dann ganz gut, ausser, wie jetzt gerade, Kind Nr. 1 mir unbedingt ein Buch zeigen will und somit für einmal keinen Halt vor geschlossenen Türen kennt. Pophistorisch sind Türen ja ein grosses Ding. Man denke da an Acts wie ähm The Doors oder die deutschen Türen. Letzere haben aber mit Jim Morrison’s Mannschaft in etwa so viel gemeinsam, wie Donald Trump mit der Wahrheit. Auch in Sachen Liedgut ist die in der Regel drehbare Einrichtung zum Schließen einer Öffnung ziemlich prominent vertreten. Knockin on Heaves Door ist vermutlich der bekannteste und auch am meisten gecoverte Vertreter aus dem Genre “Türensongs”. Zig tausend weitere Beispiele könnte man noch anfügen, aber eben, Kind wartet ziemlich ungeduldig mit dem Buch. Einer muss dann aber noch sein. Sehr schön ist der über eine “verschlossene” Tür von der Ostschweizer Musikerin Nathalie Weider. Nachzuhören auf dem letzten Jahr erschienenen, wundervollen Album Wegkreuzer. Deutsche Popmusik, ehrlich und mit viel Leidenschaft.
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Riccardo Cocciante – Lucia (1974; Anima)
Einstimmung mit emotionsgeladener italienischer Musik auf den heutigen Abend. Call Me Appetite wird, sofern Gott nichts anderes mit ihm vorhat, die Kochlöffel schwingen und den erwarteten Gästen ein hoffentlich wiederum äusserst leckeres Ossobucco a la Milanese auf den Tisch zaubern. Und da ja so ein Ossobucco bekanntlich seine Zeit benötigt, dürfte während dem Kochvorgang auch der eine oder andere Ramazzotti – der Negroni wird für das Dessert aufgespart – den schnellen Weg in Kopf und Magen finden. Dazu werden aus dem Küchenradio meine liebsten Lieder aus dem südlichen Nachbarland scheppern und mit steigendem Alkoholpegel Erinnerungen an vergangene Familienurlaube an der italienischen Riviera wecken. Wenn das mal kein guter Start ins Wochenende ist!
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Lucio Battisti – Il Nostro Caro Angelo (1973; Il Nostro Caro Angelo)
Samstagnacht in Navigli. 23.30 Uhr. 31 Grad. Jubel, Trubel, Heiterkeit. Es riecht nach Pasta und Gelati. Und nach billigem überdosiertem Parfüm. Wie in den Kindheitserinnerungen. Dolce vita wohin das Auge reicht und mittendrin steht einsam ein Strassenmusiker mit einer abgeranzten Gitarre und der letzten Hoffnung auf ein wenig Geld für Frau, Kind oder Schnaps. Er spielt Il Nostro Caro Angelo von Lucio Battisti. Mit Inbrunst und Verzweiflung.
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PJ Harvey – The Community of Hope (2016; The Hope Six Demolition Project)
Seit dem letzten Release von Polly Jean Harvey sind ja auch schon wieder fünf lange Jahre vergangen. Fünf lange Jahre, in denen u.a. die Geheimratsecken bei der Austragung harter Kämpfe gegen diverse Haarwässerchen weiteren, einst fruchtbaren Boden gutgemacht haben und einem Besuch bei Silvio Berlusconi‘s Haarprachtmonteur somit bald nichts mehr im Wege steht. Polly Jean Harvey hingegen kann dem Älterwerden weiterhin mit einem Lächeln begegnen . Sieht sie auch mit Mitte 40 noch bezaubernd wie eh und je aus. Immerhin bleibt die Vorfreude, bekanntermassen ja die schönste aller Freuden, auch im Alter erhalten. Entsprechend war diejenige auf The Hope Six Demolition Project nach alle den Jahren nicht nur bei mir riesig, konnte man in den letzten Tagen, Wochen, ja Monaten fleissig und immer wieder über das Albumprojekt und dessen Projektfortschritt lesen. Berichte resp. mittlerweile ja Rezensionen, bei welchen seit dem Release auch wieder inflationsartig – für Musik von PJ Harvey ja gar nicht so untypisch – das Wort Meisterwerk verwendet wurde. Nun gut (man ahnt es nun), als seit über 20 Jahren glühender Verehrer der Musik von Polly Jean freute auch ich mich sehr auf diese Platte und ja, sie ist wiederum gut geworden. Sehr gut sogar und immer noch besser als vieles auf dieser Welt, aber ein Meisterwerk? Ich weiss nicht so recht. Der Opener The Community of Hope, auch gleich mein Favorit, ist definitiv wieder grosses Kino, aber danach ist es dann doch eher eine qualitative Achterbahnfahrt mit teils nervenden Freejazz-Einlagen und noch mehr nervenden Männerchören und so klingt The Hope Six Demolition Project für mich doch allzu oft nach, mit ein paar Jahren Verzug, überarbeitete B-Seiten ihres letzten Erfolgsalbums Let England Shake. Sehr gute B-Seiten zweifelsfrei, aber irgendwie hab ich nach dem Getue im Vorfeld doch ein kleines bisschen mehr erwartet.
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