Wenn einem im vollgestopften und ewig geschäftigen Tokyo irgendwann mal die Decke auf den Kopf zu fallen droht, der hat die Möglichkeit sich entweder im Flieger nach Alaska abzusetzen oder, wenn es das Wetter zulässt, sich in einem der zahlreichen Parks für ein paar Stunden vom Trubel der Grossstadt zu erholen. Wir wählten hierfür den Yogogi Park zwischen Shibuya und Shinjuku. Auch weil der Park den Ruf als einer der schönsten Tokyos zu sein hat. Natürlich war wir da nicht die Einzigen, denn selbst da war emsiges Treiben schon auf dem Weg dahin zu beobachten, nur in einer etwas laid backeren Variante. Die Leute haben sich hierfür auch endlich mal von ihrer Arbeitsuniform getrennt und führten meist halt immer noch sehr smart und casual Polohemden und Zweiteiler aus. Was dann einem so beim Spazieren als erstes auffällt, ist, dass es verglichen mit der Schweiz, noch sauberer ist!!! Der Japaner entsorgt und trennt den Müll so pflichbewusst, wie das Amen nach dem Gebet folgt . Während dem gut 3 stündigen Aufenthalt bekam ich dann auch gerade nur eine einzige rumliegende Pet-Flasche zu Gesicht. Generell sind die diversen Gärten und Anlagen im Yoyogi Park äussert gepflegt und schön gestaltet (mal abgesehen vom amerikanischen Gartenteil, der einfach nur gemäht ist – was denn auch sonst) und beim Relaxen und Rumlungern kam mir dieses sonntägliche Treiben rundherum schon fast ein wenig wie in einem Haruki Murakami (klar, ist ja auch ein Japaner) Roman vor. Irgendwie surreal also. Aus der Ferne hörte man rhythmisches Trommeln, nebenan boxte eine Gruppe mit dem Schatten oder führte sonst irgendwelche komischen Volkstänze mit Nebengeräuschen auf. Die ausgeführten Hunde trugen massgeschneiderte, oft ziemlich bunte Mäntelchen, während ihre Herrchen und Frauchen gerne und viel Sekt ab der 7.5 dl. Flasche tranken. Es gab natürlich auch weniger aktive Leute, welche einfach nur am Schlafen waren oder hippiesk im Kreis am Boden hockten, Gedichte auswendig lernten oder auf der Gitarre die Akkorde zu irgendwelchen Beatles Songs übten. Scheinbar sind die Fab Four auch 2015 immer noch das Grösste in Japan, dazu dann später noch mehr. Für die Kleinsten gab es irgendwo gar noch einen extra geteerten Weg um das Fahrradfahren zu lernen. Damit es keine Unfälle gibt und alles seinen sozialistischen Lauf nimmt, durch einen Mittelstreifen getrennt. Selbst für Randgruppen wie Exibionisten hätte es genug relativ verlassene Ecken für ihr perverses Spiel gehabt. Diese Ecken haben wir aber nicht so im Detail angeschaut, da wir noch zum Meiji-Schrein wollten. An diesem Sonntag fand ich dann auch mal ein wenig Zeit und Muse Musik zu hören und wählte für das mit Daten und Fotos vollgestopfte iPhone als einziges die neue Julia Holter Scheibe aus, welche ich Stunden zuvor noch aus dem Internet gezogen hatte und welche dann auch herrlich gut zum Beobachten dieses sonntäglichen Treibens passte, ja irgendwie sogar diese Stimmung wiedergab. Denn, auch Julias Klänge wirken irgendwie surreal und was Stimme und Arrangements betrifft, erinnert mich das dann doch eher an eine japanische als amerikanische Songwriterin, sofern man das in Zeiten der Globalisierung überhaupt noch behaupten darf und kann. Eines ist jedoch sicher, Have You In My Wilderness ist eine sehr schöne Platte, die auch imm europäischen Indian Summer gehört werden kann, ja gehört werden muss. Tipp!